Gesunde Unternehmenskultur – noch nie wurde darüber so viel gesprochen wie heute. Und auf eine positive Unternehmenskultur zu setzen, zahlt sich auch wirtschaftlich für Unternehmen aus. Eine Studie von Heidrich Consulting zeigte bereits 2021 auf, dass Unternehmen, die in ihre Kultur investieren, fast doppelt so stark wachsen wie diejenigen, die dem Thema maximal auf dem Papier eine Bedeutung beimessen.
Was ist eigentlich Unternehmenskultur?
Unternehmenskultur ist ein Konstrukt, das sich aus mehreren Aspekten zusammensetzt. Normen und Werte haben ihren Anteil, genau wie (häufig unbewusste) Einstellungen und ungeschriebene Regeln. Dieses Gesamtkonstrukt prägt den Umgang und die Beziehungen von Mitarbeitenden und Führungskräften sowie die Entscheidungen, die im Unternehmen getroffen werden.
Ist die Gestaltung der Unternehmenskultur teuer?
Es ist verständlich, dass Unternehmen sich den Kulturbegriff auf die Fahne schreiben – häufig ist das aber mehr Schein als Sein. Denn vor großen Kulturinitiativen haben Unternehmen oft Angst – sie setzen sie gleich mit einem hohen Invest in teure Berater und große Veränderungen. Das ist aber gar nicht unbedingt nötig. Kultur entsteht im täglichen Arbeiten – und genau dort kann sie auch geprägt werden. Und das ohne hohe Kosten oder Beraterteams, die für viel Geld komplizierte Konzepte basteln.
Step 1: Ermittlung des Status Quo
Grundsätzlich gilt natürlich, dass es sinnvoll ist, zunächst den Status Quo zu ermitteln. Ansonsten könnt ihr nur ahnen, welche Maßnahmen zum gewünschten Erfolg führen könnten. Hierfür können unterschiedliche Indikatoren herangezogen werden:
1. Mitarbeiterumfragen
Umfragen können kostengünstig und trotzdem auf wissenschaftlicher Basis eingekauft oder gestaltet werden. Der Vorteil einer Umfrage: Ihr ermittelt direkt, wo der Schuh drückt und bezieht die Mitarbeitenden ein – der erste Schritt zu einer gesunden Kultur. Der wichtigste Punkt dabei ist Ergebnisoffenheit. Akzeptiert die Ergebnisse – ihr habt gefragt und ihr bekommt die ehrlichen Antworten. Viele Unternehmen drücken sich vor einer Umfrage, weil sie keine unnötige Hoffnung schüren wollen – als würde man ein Kind fragen, was es alles vom Weihnachtsmann möchte und Angst vor der Enttäuschung haben, wenn es nicht alle Geschenke bekommt. Doch diese Sorge ist in den meisten Fällen unbegründet. Denn Mitarbeitende wünschen sich für eine positive Zusammenarbeit selten die goldenen Wasserhähne oder die Mitgliedschaft im Golf-Club. Um unrealistischen Erwartungen vorzubeugen, könnt ihr Auswahlmöglichkeiten in der Umfrage vorgeben. Es ist in Ordnung zu kommunizieren, dass die goldenen Wasserhähne nicht drin sind.
2. Fluktuationsrate
Dass Mitarbeitende gehen, kann viele Gründe haben. Eine gesunde Fluktuationsrate ist je nach Branche und Job unterschiedlich. Generell bewegt sie sich je nach Branche zwischen 8 und 12 %. Zusätzlich zur Fluktuationsrate an sich könnt ihr Wissen aus Gesprächen mit Mitarbeitenden nutzen, die gekündigt haben. Häufig erzählen sie offen von den Punkten, die sie zur Kündigung gebracht haben.
3. Kundenzufriedenheit
Wenn eure Mitarbeitenden sich wohl fühlen, spüren das meistens auch die Kunden. Eine schlechte Atmosphäre kann dazu beitragen, dass der Ton in Kundengesprächen weniger freundlich ausfällt. Außerdem sind unzufriedene Mitarbeitende weniger motiviert und lösen die Kundenprobleme vielleicht nicht so schnell.
4. Bewertungen auf anonymen Arbeitgeber-Bewertungsplattformen
Nutzt die Informationen anonymer Bewertungsplattformen und findet heraus, was Mitarbeitende oder Bewerbenden am Unternehmen nicht gefällt.
Bei der Ermittlung des Status Quo ist es immer sinnvoll, auf mehrere Indikatoren zu setzen. Das Gesamtbild kann euch einen Eindruck verschaffen, wo ihr kulturell als Unternehmen aktuell steht.
Step 2: Entscheidung über kostengünstige Maßnahmen zur Kulturentwicklung
Es kommt immer individuell darauf an, welche Bedarfe euer Unternehmen hat. Nichtsdestotrotz gibt es einige Maßnahmen, die grundsätzlich einen großen positiven Impact auf die Unternehmenskultur haben – unabhängig von Branche oder Budget.
Eine offene Kommunikationskultur
Viele Führungskräfte und Unternehmer ärgern sich, wenn die Mitarbeitenden Verbesserungen nicht offen kommunizieren, sondern sich eher passiv beschweren. Dies kann allerdings Ursachen haben, die weniger die Mitarbeitenden selbst betreffen, sondern die Offenheit des Unternehmens. Wenn ihr euch eine offenere Kommunikation wünscht, stellt euch folgende Fragen:
- Was passiert, wenn Mitarbeitende Fehler machen? Ein guter Umgang mit Fehlern trägt zu einer offenen und ehrlichen Kultur bei.
- Wie offen kommuniziert das Management wichtige Entscheidungen und Veränderungen? Wenn nur über die Köpfe hinweg entschieden und zu spät kommuniziert wird, schadet das der Kultur und das Vertrauen leidet.
- Werden die Vorschläge, Bedenken und Wünsche der Mitarbeitenden erfragt und ernst genommen? Menschen merken, ob ihre Meinung wirklich wichtig ist. Schaut hier genau hin. Es kann hart sein, sich einzugestehen, dass Mitarbeitende Angst davor haben, Fehler zu machen oder dass sie vielleicht bei wichtigen Veränderungen nicht einbezogen wurden. Ohne ehrliche Reflexion wird sich die Kultur allerdings immer nur oberflächlich verändern lassen.
Die Einbindung von Mitarbeitenden in Entscheidungsprozesse
Niemand wird gern vor vollendete Tatsachen gestellt. Das gilt auch für Entscheidungen in Unternehmen, die die Mitarbeitenden betreffen. Daher ist ein sehr wirkungsvoller Hebel für eine positive Unternehmenskultur die Einbindung der Mitarbeitenden. Das gilt für Entscheidungen des eigenen Teams oder die eigene Abteilung ebenso wie für Unternehmensentscheidungen. Dazu können auch Task Forces aus unterschiedlichen Bereichen gebildet werden, um möglichst breit gefächertes Wissen mit einzubeziehen.
- Welche Teambuilding-Maßnahme wünschen sich die Mitarbeitenden im Einkauf?
- Wo sieht die TaskForce zur Einführung eines CRM-Systems Schwierigkeiten?
- Welche Punkte sind wichtig, wenn der Vertrieb umstrukturiert werden soll?
Es geht nicht darum, jede Entscheidung mit den Mitarbeitenden zu treffen. Ihre Expertise und Erfahrung können aber sehr hilfreich sein, um Probleme frühzeitig zu erkennen und zu verhindern, dass das Unternehmen eine falsche Richtung einschlägt – und gleichzeitig fühlen sich die Mitarbeitenden am Entscheidungsprozess beteiligt und tragen ihn so mit.
Förderung von Feedback und Wertschätzung
Überstunden, mehrere Aufgaben gleichzeitig, Termine um Termine und E-Mails, die einfach nicht weniger werden wollen – diese Tatsachen gehören zum Arbeitsalltag vieler Mitarbeitenden. Natürlich ist ein faires Gehalt die Basis von Wertschätzung. Doch wenn Mitarbeitende Unternehmen verlassen, liegt das häufig nicht am Geld. Ein Lob und ein Ausdruck von Wertschätzung an der richtigen Stelle können Wunder bewirken. Eine kleine Tafel Schokolade oder eine handgeschriebene Karte für ein besonders aufreibendes Projekt oder einen harten Arbeitseinsatz. Programme wie Teams bieten heutzutage auch Möglichkeiten, virtuelle Lobe zu verteilen – im direkten Chat oder öffentlich in Gruppenchats. Ebenso können Compliment Cards im Social Intranet veröffentlicht werden – das gibt Anerkennung und gleichzeitig Sichtbarkeit im Unternehmen. Die Vorbildfunktion kann andere Mitarbeitende zusätzlich motivieren. Auch an die Geburtstage zu denken und regelmäßig wertschätzendes und konstruktives Feedback zu geben, sind Maßnahmen, um zu zeigen: Ich schätze dich und deine Arbeit.
Kostengünstige Weiterbildungsmöglichkeiten
Wenn Unternehmen an Weiterbildung denken, denken sie häufig an teure Seminare. Doch nicht immer muss das die einzige Lösung sein. Es gibt noch andere Möglichkeiten, um das Wissen im Unternehmen zu vergrößern.
1. Interne Kurzschulungen zum Wissenstransfer:
Viele Mitarbeitende haben ungenutztes Wissen, das anderen helfen kann. Sucht euch den Excel-Crack aus eurem Unternehmen und lasst ihn online eine einstündige Schulung für interessierte Vertriebler geben. Sucht euch die Personaler:in, der/die Wirtschaftspsychologie studiert hat und den Führungskräften etwas zur Motivation von Mitarbeitenden erzählen kann. Dies kann monatlich in einem fixen Termin festgehalten werden oder je nach Bedarf in Abteilungen oder für das gesamte Unternehmen stattfinden.
💡 Tipp: Wenn ihr diese Sessions aufzeichnet, könnt ihr sie in eurem Intranet als E-Learning-Module zur Verfügung stellen – so können noch mehr Mitarbeitende davon profitieren.
2. Mentoring Programme:
In fast jedem Unternehmen gibt es erfahrene Mitarbeitende, die ihre Erfahrung sehr gut weitergeben können. Mentoring ist eine Unterstützung, in der eine erfahrene Person ihre Kenntnisse über einen längeren Zeitraum an eine weniger erfahrene Person weitergibt, um deren Entwicklung und Wachstum zu fördern. Mentoringtermine können einmal monatlich oder alle zwei Wochen zwischen den beiden Personen stattfinden und nehmen damit wenig Zeit in Anspruch, haben aber eine große Wirkung auf die Bindung und Entwicklung.
3. Einbindung von Wissen kostenloser Plattformen:
Sogenannten MOOCs (Massive Open Online Courses) bieten für viele fachliche Themen Kurse an, die Unternehmen und Einzelpersonen zur Weiterbildung nutzen können. Von Kursen zu Datenanalyse-Tools über Diversity bis hin zu Informatik – hier können kostenlos oder kostengünstig Kurse abgerufen werden. Viele dieser Plattformen bieten auch spezielle Angebote für Unternehmen, um den Mitarbeitenden Möglichkeiten der Weiterbildung zu ermöglichen – zu einem Bruchteil der Kosten von Seminaren mit einem Trainer.
4. Working out Loud (WOL):
Bei WOL teilen Mitarbeitende ihre Arbeit transparent, machen Fortschritte sichtbar und arbeiten aktiv mit anderen im Unternehmen zusammen, um gemeinsames Wissen und Expertise zu fördern. Dadurch wird nicht nur die Vernetzung und das Know-How größer, sondern auch das kollektive Wissen im Unternehmen für den gemeinsamen Erfolg genutzt.
Step 3: Messung des Erfolgs
Habt ihr die Bedürfnisse der Mitarbeitenden ermittelt und Maßnahmen umgesetzt, ist eine Messung des Erfolgs wichtig. Ihr könnt noch so viele Maßnahmen umsetzen – ob ihr auf dem richtigen Kurs seid, zeigt euch erst eine Messung. Lasst euch dazu von der Ermittlung des Status Quo bis zur Messung des Erfolgs mindestens sechs Monate Zeit. Eine Kultur verändert sich nicht über Nacht. Betrachtet die Kennzahlen, die ihr im Status Quo ermittelt habt (wie die Mitarbeiterumfrage oder Bewertungen auf Arbeitgeberbewertungsplattformen) erneut. Vergleicht sie mit den Werten aus dem Status Quo und findet heraus, welche Maßnahmen erfolgreich waren und wo es noch Verbesserungspotential gibt.
Fazit
Es gibt viele Möglichkeiten, eine positive, gesunde und offene Unternehmenskultur zu fördern – und es lohnt sich als Unternehmen, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Und dabei benötigt es nicht zwangsläufig große Summen. Schon lange zieht kein Gehalt alleine mehr Bewerbende zu einem Job. Die Unternehmenskultur spielt heute eine größere Rolle denn je – und ist damit ein Investment in die Zukunft.
Das war ein Gastbeitrag von Jana Schöllkopf, Gründerin von PURE REBEL Coaching, Wirtschaftspsychologin, Coach & Beraterin.